VERSÖHNUNG

Die Geschichte des Menschen soll eine Heilsgeschichte sein, nicht eine Unheilsgeschichte. Dafür hat Gott alles getan, was er tun konnte. Das Kreuz ist ein unübersehbares Zeichen seines Tuns für die Menschen. Wir sind getauft, damit hat unser Weg in die Vollendung begonnen. Der Mensch in der Gemeinschaft mit Gott, das ist Heil.Niemand kann aber bestreiten, daß Unheil in der Welt geschieht. Die Geschichte des Menschen kann immer wieder zur Unheilsgeschichte werdenin dieser Zeit. Der Mensch kann sich von Gott entfernen, ja ganz von ihm trennen. Dann entsteht eine unheilvolle, eine "sündige" Situation. Sündeist Absonderung von Gott, ist Unheil. Das kann absolut tödlich sein. Und das ist nicht nur eine Sache, die den einzelnen Menschen betrifft. Sünde schafft Unheil auch zwischen den Menschen.Wir erleben das täglich. Der Mensch kann den Weg in die Vollendung verlassen. Er kann andere, falsche Wege gehen, die zur ausweglosen Sackgasse werden können. Was dann?"Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen,ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht." (1 Joh 1, 8-9) Vom Unheil ist immer wieder ein Weg zurück insHeil möglich. Gott hat nicht nur einmal etwas für die Menschen getan. Gott tut immer wieder etwas für den Menschen. Er schenkt Vergebung. Er bindetihn wieder an sich. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehrt und lebt.
     

 Auch der Mensch muß etwas tun. Er muß umkehren und sich von neuem Gott nähern, zu ihm gehen. Umkehr ist ein ganz entscheidendes Wort in unserem Leben, eine lebensentscheidende Notwendigkeit. Umkehr ist nicht Rückschritt, sondern Fortschritt. In einer Sackgasse gibt es nur einen Weiterweg durch Umkehr.    Ein Mensch kehrt um. Er bekennt seine Schuld. Er steht zu seinem Versagen. Er bittet Gott um Vergebung. Ein Mensch kehrt um, er tut Buße. Er will neu    beginnen. Er will gutmachen, soweit es möglich ist, wo er Schaden angerichtet hat. Er will nach der Ordnung Gottes leben. Buße tun, das heißt mit    Engagement neu den Weg des Heiles gehen, auf Gott zugehen, mit ihm gehen. Dieser Neubeginn ist möglich, weil Christus uns von der Macht des Bösen befreit hat. Immer wieder ist ein Weg aus der Sünde heraus möglich. Buße tun macht sichtbar und erfahrbar, daß der Mensch aus der sündigen    Situation heraus will.    Buße tun, das heißt auch von neuem auf die Menschen zugehen, mit ihnen gehen. Buße tun ist nicht nur eine Notwendigkeit des einzelnen, es ist auch    eine der Gemeinschaft. Christen tun miteinander Buße. Sie ringen um einen Lebensstil, der dem Evangelium entspricht. Es ist der fortwährende    Versuch, so gesinnt zu sein wie Jesus Christus, der Versuch, auf dem Weg des Heiles voranzuschreiten.    Das Leben ist überaus vielfältig, darum können wir auf vielfache Weise Buße tun und Vergebung erfahren. Dazu möchte Ihnen dieses Heft Hilfe und    Anregung sein.

 

1. Allgemeine Formen der  Sündenvergebung

Jesus führt die bereits von den Rabbinen gelehrte Überzeugung weiter, daß Fasten, Beten und Almosengeben als Formen der Buße das Leben vor Gott    fördern und der Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen dienen (vgl. Mt 6,1-18). Die Überlieferung des Herrn wird im 1. Petrusbrief so zusammengefaßt: »Vor allem haltet fest an der Liebe zueinander, denn sie deckt viele Sünden zu.« (1 Petr 4,8)


       -  Fasten    Das Fasten ist eine Übung, die Leib und Seele erneuert und uns Gott näherbringt. Weniger Konsum, weniger Vergnügen (Tanz, Rauchen, Alkohol)    lassen uns unabhängiger und freier werden. Alles, was wir zuviel haben, macht uns hart gegenüber den anderen und verwischt die Grenzen, die wir brauchen, um nicht maßlos und ungerecht zu werden. Wir können nicht mehr teilen und uns nicht mehr mitteilen. Wir verlieren den Bezug zum Nächsten und zu Gott.


        - Beten    »Zur Buße beten Sie...«, sagt der Beichtvater und will damit dem Beichtenden nicht vortäuschen: Mit dem Gebet ist die Sache erledigt. Er will vielmehr    dem Christen das Gebet als wichtigen Weg der Buße empfehlen. Das Gebet soll die Umkehr vertiefen und dazu helfen, mit Gott und den Mitmenschen versöhnt zu leben. Im Gebet empfangen wir Vergebung, erhalten wir neue Impulse, uns zu wandeln und werden wir gestärkt, mit unseren alltäglichen Fehlern zu leben, ohne abzustumpfen.    Was wir »in der Kammer« (vgl. Mt 6,6) erbitten, gewährt uns der Vater, der ins Verborgene sieht.    Wenn wir wie der Zöllner »am Eingang des Tempels« an die Brust schlagen mit dem Bekenntnis auf den Lippen: »Gott sei mir Sünder gnädig« (vgl.Lk 18, 9-14), dürfen wir gewiß sein, von Gott angenommen zu werden. 

Das Gebet hilft, das eigene Leben und das Zusammenleben mit den anderen besser zu bewältigen.    Besonders erfahren diese Wirkung Kranke und von schweren Schicksalsschlägen Heimgesuchte, die ihr unverschuldetes Leid annehmen    lernten. Wie wäre sonst die Aussage eines Schwerkranken zu verstehen, der sich im Blick auf das Kreuz zu dem Bekenntnis durchgerungen hat:    »Weil Du, Herr, für mich mitträgst, kann ich meine Schmerzen ertragen.« Das meint wohl auch der Apostel Paulus, wenn er sagt: »Immer tragen wir    das Todesleiden Jesu an unserem Leib« (2 Kor 4,10) und ergänzen, »was an den Leiden Christi noch fehlt« (Kol 1,24).


        -Almosen          Almosen geben heißt helfen, ohne Lohn zu erwarten; geben, ohne wieder haben zu wollen; die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut (vgl. Mt. 6,3).    Almosen, Geld geben, macht uns freier und bringt uns dem anderen näher.    Almosen geben, dem Nächsten Gutes tun heißt auch, von der eigenen kostbaren Zeit dem anderen etwas schenken, dem Menschen neben mir    zuhören; das Leid des anderen sehen, es mittragen und ihm praktisch helfen.    Almosen geben heißt auch, ein gutes Gespräch versuchen, Freude verbreiten; Geduld haben mit Kindern und Jugendlichen, dem Ehepartner, dem Freund.    Almosen geben heißt auch, von meinem Glauben mitteilen und dadurch andere stärken; Hoffnung schenken, Jesus näherbringen; Liebe geben, zurückstehen und warten können. All das kostet Zeit, Zeit, die bei Gott nicht verloren ist.        

 

2. Die liturgischen Formen der Sündenvergebung

 

Sünde ist nie nur Privatsache, nie nur eine Sache, die allein zwischen dem Menschen und Gott abzumachen wäre; denn kein Mensch kann so isoliert    leben, daß er nicht wenigstens geistig in die menschliche Gesellschaft eingebunden bliebe.    Wir wissen heute, böse, haßerfüllte Gedanken sind Mächte, sind »Strahlungen«, die sich negativ auf die Mitmenschen auswirken. Das gilt in besonderer Weise für die Christen, da sie Glieder am Leib Christi sind (vgl. 1 Kor 12,12-27). Ein krankes Körperorgan zieht immer den ganzen Leib in Mitleidenschaft. So wird verständlich, warum Buße und Vergebung einen besonderen Ort in den gottesdienstlichen Versammlungen der Christen haben,    vor allem in der Feier der Eucharistie oder in einem eigenen, zu diesem Zweck gefeierten Gottesdienst (Bußgottesdienst). Die wichtigste liturgische Form der Sündenvergebung ist das Bußsakrament.    In der sakramentalen Versöhnungsfeier (Beichte) spricht Jesus unmittelbar den einzelnen an, wie er es einst beim Gelähmten im Hause von Kafarnaum getan hat: »Deine Sünden sind dir vergeben« (Mk 2,5). Eine solche persönliche Begegnung mit Christus kommt unserer menschlichen Natur sehr entgegen; denn sie schenkt uns das sichere Bewußtsein, von Gott, der die Liebe ist, auch    in unserer Sündhaftigkeit angenommen zu sein.    So sehr dieser Vorgang im Raum des Beichtgeheimnisses bleibt, ist er doch nicht »privat«, sondern »öffentlich«, da der Priester stellvertretend für    die Kirche handelt.

Buße und Vergebung in der Eucharistiefeier    Das allgemeine Schuldbekenntnis am Anfang der Meßfeier nimmt in den Worten »ich bekenne ... allen Brüdern und Schwestern, daß ich Gutes    unterlassen und Böses getan habe« die soziale Seite der Sünde ernst. Jeder wendet sich an jeden und bittet, für ihn vor Gott einzutreten: »Darum bitte    ich euch, Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott, unserem Herrn.« Auch das Hören des Wortes Gottes hat sündentilgende Kraft. So spricht der Priester nach dem Evangelium: »Herr, durch dein Evangelium nimm hinweg unsere Sünden.« Damit wir am Mahl des Herrn nicht unbußfertig teilnehmen, wird im »Vater unser« noch einmal die Bitte um Vergebung ausgesprochen und    die Bereitschaft, selbst zu vergeben, bekundet: »Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.« Vielfach werden diese Worte durch ein sichtbares Zeichen der Zuwendung und Versöhnung, den Friedensgruß, unterstrichen.    Und dann bekräftigen wir unser Vertrauen auf die vergebende Güte des Herrn mit dem Ruf: »Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt«    und mit dem Gebet »Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.«

Der Bußgottesdienst    Der Bußgottesdienst vertieft und entfaltet den Vorgang von Buße und Vergebung. Er macht deutlich, daß die Umkehr und die Hinwendung zu Gott nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft notwendig sind, weil auch die Gemeinschaft dem Mitmenschen gegenüber oft versagt.    Im Bußgottesdienst empfangen wir Anleitung zu einer vertieften Gewissenserforschung. Nicht selten entdecken wir dabei Lebensbereiche, die    wir vielleicht noch nie mit Gott und seiner Ordnung in Beziehung gebracht haben. Im Bußgottesdienst hören wir die Worte Jesu, durch die wir gleichsam    aus »erster Hand« die Botschaft vom verzeihenden Vater im Himmel vernehmen. »Im Himmel wird mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren« (Lk 15,7).    Besonders zu den Bußzeiten des Kirchenjahres, im Advent und in der Fastenzeit, hat der Bußgottesdienst seinen festen Platz im Leben    der Pfarrgemeinde.

Die Feier des Bußsakramentes (Beichte)    "Unter den liturgischen Formen der Buße und Sündenvergebung nimmt das Bußsakrament eine hervorragende Stellung ein.     Im Auftrag der Kirche wird dem, der umkehrt, durch den Priester in der Vollmacht Christi im wahrnehmbaren Zeichen Versöhnung geschenkt. Für die Gläubigen, die sich in schwerer Sünde von Gott getrennt haben, bleiben das persönliche Bekenntnis und die persönliche Lossprechung die einzige ordentliche Weise, in der Kirche Versöhnung mit Gott zu finden. Aber auch denen, die sich keiner schweren Sünde bewußt sind, empfiehlt die Kirche, in Zeitabständen, in denen das eigene Leben noch überschaubar ist, das Bußsakrament    zu empfangen. Darin kommt zum Ausdruck, daß jeder Gläubige immer neu der Vergebung und der Hilfe bedarf, die ihm im Bußsakrament geschenkt wird.« (Synodenbeschluß »Schwerpunkte heutiger Sakramentenpastoral«, 4.3)    Wer heute zur Beichte geht - ob in den Beichtstuhl    oder in ein Beichtzimmer -, wird feststellen: Der Ritus des Sakramentes ist gegenüber früher in mancher Hinsicht verändert. Die deutsche Sprache,    neue Gebete und Zeichen - manche davon als Vorschlag angeboten - machen die Beichte verständlicher und persönlicher.  

-Der Priester begrüßt zunächst den Beichtenden    und lädt ihn gegebenenfalls nach dem Kreuzzeichen durch ein paar freundliche Worte zum Bekenntnis ein.   

-Das Bekenntnis soll ehrlich und persönlich sein. Eine Hilfe dazu ist, wenn der Beichtende von seiner Situation und seiner Schuld erzählt. So werden für den Beichtenden und für den Priester auch Hintergründe und Ursachen für die Sünden und Fehler eher offenbar. Wenn nötig, hilft der Priester beim Bekenntnis.   

- Der Priester kann während der Lossprechungsworte seine Hände (oder seine Hand) über den Beichtenden ausbreiten - ähnlich dem feierlichen Schlußsegen bei der Messe. In den Lossprechungsworten wird deutlich, daß der Priester im Namen und im Dienst der Kirche, also im Namen der größeren, glaubenden Gemeinschaft handelt.    Die Beichte führt zur Erneuerung und Vertiefung der Gemeinschaft mit Gott. Seine Vergebung, seinen Trost und sein Aufrichten erfährt der Beichtende als große Lebenshilfe. Im Gebet und im Lobpreis dankt er Gott dafür.


    (aus " Sakramente im Leben der Familie ", Herausg. Erzb.Ordinariat München ,Seelsorgereferat )